Zuletzt geändert: 17.06.1999
 Christsein

Häufig gestellte Fragen
an Christen und den christlichen Glauben

Inhalt


 
 Was bedeutet es eigentlich, Christ zu sein?
 Was bedeutet "glauben"?
 Sind Christen nicht alle Heuchler?
 Halten sich Christen an die 10 Gebote?
 Hat Gott wirklich in sechs Tagen die Erde gemacht?

Ist die Bibel nicht in all den Jahrhunderten kräftig verfälscht worden?
 Bedeutet Mission nicht, jemandem seine Überzeugungen aufzunötigen?
 Sind Christen intolerant?
 Hat die Wissenschaft den Glauben nicht längst widerlegt?
 Ist es nicht völlig unvernünftig, an Wunder zu glauben?

 Muß ein Christ viele gute Taten tun, um in den Himmel zu kommen?
 Muß man als Christ wirklich jeden Sonntag in die Kirche rennen?
 Kann man nicht auch für sich alleine Christ sein?
 Bedeutet Christsein, sich an alle möglichen Regeln zu halten?
 Was versteht man eigentlich unter "beten"?

 Christsein ist etwas für Schwächlinge, oder?
 Was ist eigentlich diese "Stille Zeit", von der Christen manchmal reden?
 Was ist eigentlich eine Freikirche?
 Was sind Charismatiker?
 Was hat es mit diesen Fischen auf sich?

 Kann Gott einen Stein schaffen, den er selbst nicht heben kann?
 Ist die Bibel widerspruchsfrei?
     - Welche Bedeutung hat das für das Bibelverständnis?
  Welche Bedeutung haben die Schriftfunde von Qumran für das Christentum?
 


Eine Bemerkung zuvor:

Dieser Text soll nicht meine Ansichten als allgemeingültig festschreiben.  Ich schreibe jede einzelne Antwort als meinen Standpunkt zu dem Thema.  Sicherlich sorgfältig überlegt und auf die Bibel gegründet, aber die persönliche Auseinandersetzung, das eigene Nachdenken möchte ich niemandem abnehmen. Kommentare und Anregungen per Mail  sind ausdrücklich willkommen.



Was bedeutet es eigentlich, Christ zu sein?

Darüber gibt es heute verschiedene Ansichten:  Für die einen ist jemand Christ, weil er das von sich sagt.  Für die anderen ist jemand Christ, weil er einer christlichen Kirche angehört.  Oder weil er die Existenz eines höheren Wesens für möglich hält.  Oder weil er versucht, sich an die zehn Gebote zu halten.

Ich behaupte demgegenüber: Wenn man sich der Bedeutung von Christsein nähern will, muß man sich mit dem beschäftigen, auf den der Name zurückgeht:  Auf Jesus, den Christus.

Christus hat dieselbe Bedeutung wie Messias: Es handelt sich um den Retter, dessen Kommen dem jüdischen Volk bereits Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung zugesagt wurde.  Seine Bedeutung beschränkt sich nicht allein auf die Juden, sondern auf alle Menschen.  Zuerst wurden diejenigen Menschen Christen genannt, die etwas mit diesem Jesus anfangen, die ihm nachfolgen wollten.  In diesem Text verwende ich das Wort Christ daher ausschließlich in der Bedeutung von "ein Mensch, der sich mit Jesus und zu Jesus auf den Weg gemacht hat".

Was bedeutet "glauben"?

Die Bedeutungsvielfalt gerade dieses Wortes ist immer wieder eine Quelle vieler Mißverständnisse.  "Ich glaube, daß es morgen schönes Wetter gibt."  "Ich glaube,  ich werde es schaffen."  "Ich glaube, daß es einen Gott gibt."

Wie sich in den vorigen Sätzen zeigt, kann man "glauben" im Sinn von "ich nehme an", "ich würde es so einschätzen", "ich vermute" verwenden.  Diese alltäglichen Verwendungsmöglichkeiten werden auch leicht übertragen, wenn es um den Glauben an Gott geht.  Zum Beispiel: "Ich glaube (="ich nehme an"), daß es so ein höheres Wesen, nenn' es meinetwegen Gott, gibt."

Wenn im christlichen Umfeld jedoch von "glauben" die Rede ist, ist damit noch mehr gemeint:  An Gott zu glauben, bedeutet nicht nur, zu glauben, daß es ihn gibt, sondern ihm zu glauben, sich ihm anzuvertrauen, mit ihm zu leben.


Sind Christen nicht alle Heuchler?

Zum einen sind Pauschalurteile selten richtig.  Es gibt Christen, die Heuchler sind, ohne Frage.  Und es ist verständlich, wenn sich jemand von einem solchen Verhalten sehr abgestoßen fühlt.  Aber weil man mit bestimmten Menschen schlechte Erfahrungen gemacht hat, bedeutet das nicht, daß  man alle über einen Kamm scheren kann. Jesus, nach dessen Leben Christen sich ja richten sollen, hat gegen kaum etwas schärfere Worte gefunden als gegenüber der Heuchelei religiöser Führer seiner Zeit.  Das heißt, je näher ein Christ Jesus ist, desto ferner rückt die Heuchelei.

Was man nicht erwarten darf ist, daß Christen Menschen ohne Fehler sind.  Christen sind Menschen, und das bedeutet, daß sie wie alle Menschen auch mal Murks bauen.  Erstaunlicherweise sind sie mitunter auch bereit, wider besseres Wissen zu tun, was sie eigentlich lassen sollten.   Glücklicherweise ist Gott niemand, der Menschen nur eine Chance läßt,  er ist gerne bereit, zu vergeben und anzunehmen, wenn Menschen wieder zu ihm kommen wollen.

Halten sich Christen an die zehn Gebote?

Ich finde diesen Gedanken so häufig vor, daß ich mal einige Worte dazu verlieren möchte.  Die zehn Gebote finden sich zweimal in der Bibel, und zwar beide Male im Alten Testament.  Also in dem Teil der Bibel, in dem es um die Geschichte des Volkes Israel geht.  Beide Male sind die zehn Gebote überschrieben mit "Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus herausgeführt habe."  D.h. sie richten sich an dieses Volk, das eigentlich erst durch Gottes Eingreifen entstanden ist, aus den Sklaven, die in Ägyten Frondienste leisten mußten.  Es erscheint mir nicht legitim, diesen Satz einfach zu überlesen.

Jesus hat mal jemandem auf die Frage geantwortet, welche Gebote er für die wichtigsten hält:  "Du sollst Gott lieben, mit ganzer Seele, mit ganzem Gemüt, mit ganzem Verstand.  Und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Will man sich an diese beiden Gebote halten, sind die zehn Gebote jedoch eingeschlossen:  Wer seinen Nächsten liebt, will ihn weder töten noch bestehlen, und kann sich auch daran freuen, wenn der Nachbar etwas hat, ohne es ihm unbedingt zu neiden.  Wer Gott liebt, wird sich nicht anderen Göttern zuwenden (und die gibt es in unserer Zeit auch noch, sie haben profane Namen wie z.B. "Geld"), wird Gottes Namen nicht für plumpen Spott und Nichtigkeiten mißbrauchen.  Wer sich selbst liebt - auch das ist ja in dem Gebot ausdrücklich eingeschlossen - wird nicht Raubbau an seiner Gesundheit betreiben und sich den von Gott zugedachten Ruhetag gönnen dürfen.

Hat Gott wirklich in sechs Tagen die Erde gemacht?

Zu dieser Frage gibt es bei den Christen verschiedene Ansichten:  Einerseits die Vertreter der Auffassung, daß unsere Welt lediglich einige tausend Jahre alt ist, und daß Gott vor diesen Jahren unsere Welt in sechs Tagen zu je 24 Stunden geschaffen hat.  In der Regel ist diese Ansicht mit der Überzeugung verbunden, daß die Bibel in der Schöpfungsgeschichte verbindliche Angaben über die genaue Entstehung der Welt macht.  Es gibt sogar Christen, die versuchen, sich der Schöpfung wissenschaftlich zu nähern.  Man spricht dabei von Kreationismus oder von Schöpfungsforschung.

Andere Christen hingegen sehen keine Notwendigkeit zu einer solchen Beweisführung.  Für sie ist die wesentliche Aussage der ersten beiden Kapitel der Bibel, daß Gott die Erde gemacht hat.  Wie, bleibt ihm überlassen.  Drückt man sich hier nicht vor unbequemen Schlüssen auf die Zuverlässigkeit der Bibel?  Eine mögliche Begründung für diesen Standpunkt ist, daß die Schöpfungsgeschichte nicht der griechischen, sondern der hebräischen Denkwelt entstammt.  Eine Auslegung nach  unserem sehr griechisch beeinflußten Weltbild würde nur aufs Glatteis führen: Es handelt sich nicht um einen naturwissenschaftlichen Text.  Wissenschaftliche Thesen aufzustellen verfehlt völlig die Aussageabsicht.

Ist die Bibel nicht in all den Jahrhunderten kräftig verfälscht worden?

In aller Kürze: Heutige Bibelübersetzungen beruhen auf Manuskripten, die bereits in antiker Zeit geschrieben wurden, lange bevor Herrscher und Kirche des Mittelalters eine Chance hatten, etwas daran zu ändern.   Die Anzahl an Manuskripten übersteigt bei weitem die Menge, die uns bei anderen Werken aus jener Zeit zur Verfügung stehen.  Hinzu kommen frühzeitige Zitate und Übersetzungen in andere Sprachen, die zusätzliche Überprüfungsmöglichkeiten bieten.  Der Textbestand der Bibel ist ziemlich ausgezeichnet überliefert. An anderer  Stelle  bin ich noch ausführlicher auf das Thema eingegangen.

Bedeutet Mission nicht, jemandem seine Überzeugungen aufzunötigen?

Manche Menschen sehen darin eine Bedrohung, daß Christen anderen Menschen von ihrem Glauben erzählen wollen.  Andere haben schon mal - vielleicht im Gespräch mit einem christlichen Sektierer an der Haustür - die Erfahrung machen müssen, daß sie in einem Gespräch bedrängt wurden und keine Möglichkeit hatten, sich dazu zu äußern oder dem Gespräch zu entkommen.  Weiterhin wird das Bild mit von den vergangenen Jahrhunderten geprägt, in denen teilweise mit Zwang "christianisiert" wurde. Das alles trägt natürlich nicht unbedingt dazu bei, Mission in einem positiven Licht erscheinen zu lassen.

Wenn man sich anschaut, was Jesus seinen Nachfolgern in einem sehr bekannten Text der Bibel, der Bergpredigt, mitgibt, dann sollen Christen in allererster Linie durch ihr Leben und Handeln überzeugen: "Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein.  Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie unter einen Scheffel, sondern auf das Lampengestell, und sie leuchtet allen, die im Hause sind.  So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen." (Daß Christen das nicht immer gelingt, ist eine andere Frage.)   D.h. zunächst mal geht es darum, seinen Glauben zu leben, aber natürlich auch bereit zu sein, darüber zu reden.  Christen wünschen sich, daß auch andere Menschen Gott kennenlernen, weil diese Erfahrung ihr eigenes Leben positiv verändert hat.   Mission im Sinne Jesu bedeutet aber meiner Auffassung nach nicht, irgendjemandem etwas aufzudrängen, sondern es ist immer eine Einladung.  Wenn jemand zum Glauben kommt, bedeutet das ein Umdenken (gr. "metanoia", neues Denken), das in einem Menschen geschieht, eine Änderung der Lebenseinstellungen.  Das kann nicht von außen aufoktroyiert werden.

Sind Christen intolerant?

Christen glauben daran, daß Gott in Jesus Mensch geworden ist und sich in ihm offenbart hat.  Da sich die einzelnen Religionen in ihren Grundüberzeugungen unterscheiden, liegt auf der Hand, daß Christen nicht alle Religionen als gleich richtig ansehen können.   Ist es aber nicht intolerant, solche Aussagen zu treffen?

Toleranz bedeutet nicht, auf Überzeugungen zu verzichten.  In unserer Zeit ist der Begriff der Toleranz weitgehend aufgeweicht worden.   Es gilt bereits als nicht mehr "tolerant", überhaupt davon zu sprechen, daß man etwas für richtig oder falsch hält.  Vielmehr gilt es darauf zu beharren, daß man alle Standpunkte gleich richtig und gleich gültig sein müssen.  Ich sehe darin eher eine Form von Gleichgültigkeit - und dem Verzicht darauf, selbst Position zu beziehen.   Eigentlich bedeutet Toleranz, etwas zu ertragen - nämlich wenn jemand einen Standpunkt hat, der einem ziemlich quer kommt.  Sie ist sogar nur in diesem Fall überhaupt gefragt.

In diesem Sinne sollen Christen selbstverständlich tolerant sein.  Die Einladung zum christlichen Glauben ist genau das:  Eine Einladung, bei der sich jeder Mensch selbst überlegen kann, ob er damit etwas anfangen kann und will.   Die Meinung anderer Menschen zu unterdrücken oder ihnen gar etwas aufzuzwingen wäre keine christliche Handlungsweise.

Hat die Wissenschaft den Glauben nicht längst widerlegt?

Immerhin hat sich doch mittlerweile herausgestellt, daß sich die Erde um die Sonne dreht, und der Vatikan hat dies in jüngerer Zeit sogar offiziell anerkannt.  Die Wissenschaft hat sich mittlerweile so viele Bereiche erobert - wo ist da für Gott eigentlich noch Platz geblieben?

Eigentlich genau derselbe wie immer.  Denn was weichen mußte, war bestenfalls ein falsches Verständnis von Gott.  Man hat dort Gott als Erklärungshilfe eingesetzt, wo man nicht weiterkam.  Und dieser Gott wurde immer mehr zurückgedrängt, je mehr die Wissenslücken schwanden.  Das böse Wort vom "Lückenbüßer-Gott" ist entstanden.  Nur widerlegt das nicht Gott.  Es spricht nur dagegen, Gott als Lückenbüßer einzusetzen.  Klar ist,  daß Wissenschaft heute von einem methodischen Atheismus ausgeht ("wir nehmen mal an, daß es keinen Gott gibt oder daß er zumindest nicht eingreift und schauen dann, wieviel wir auf diese Weise herausfinden") und daß eine nicht wissenschaftlich erfaßbare Einflußgröße nicht anerkannt würde.  D.h. es ist methodikbedingt, daß (Natur)wissenschaft weder von Gott ausgeht noch ihn zum Ergebnis hat.  Und man fährt ja auch recht gut damit.  Es muß nur klar sein, daß dies Methodik ist und keine weltanschauliche Aussage, d.h. daß nicht der einzige Standpunkt "wissenschaftlich" oder "vernünftig" ist, von der Nichtexistenz Gottes auszugehen.

Betrachtet man die Glaubensaussagen über Gott, erscheint Gott als jemand, der unsere Welt erschaffen hat und somit kein Teil von ihr ist.  Wenn wir die Welt untersuchen, wäre  bestenfalls möglich, daß wir auf eine Art "Handschrift Gottes" stießen, es wäre jedoch nicht zu erwarten, Gott selbst messen zu können.  Selbst ein direktes Eingreifen Gottes in diese Welt, wie es in der Bibel bezeugt und auch von Christen neuerer Zeit berichtet wird, ist nicht wissenschaftlich greifbar, da es nicht die Qualifikation für ein wissenschaftliches Experiment erfüllt:  Es ist an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit, aus einem bestimmten Grund geschehen - nicht unter "kontrollierten Bedingungen", nicht "reproduzierbar".  Gott ist keine Labormaus, die sich in einen Apparat spannen läßt und "Ergebnisse" produziert.

Fazit:  Glaube und Wissenschaft passen prima zusammen, sie bewegen sich nämlich in unterschiedlichen Bereichen.  Glaube ist kein Untersuchungsfeld der Wissenschaft, sein Gegenstand läßt sich wissenschaftlich nicht "greifen".  Man kann aber auch ohne weiteres wissenschaftlich arbeiten, ohne daß an irgendeiner Stelle der Glaube interferiert.

Ist es nicht völlig unvernünftig, an Wunder zu glauben?

In der Bibel ist von verschiedenen Wundern die Rede:  Behinderte werden geheilt, gar Tote auferweckt, Jesus kommt seinen Jüngern, die mit einem Boot unterwegs sind, auf dem Wasser entgegen.  Nicht zuletzt ist die Jungfrauengeburt ein steter Anstoß.  Alle diese Dinge entsprechen nicht dem, was man heute im alltäglichen Leben beobachten kann.  Und hat die Wissenschaft nicht längst bewiesen, daß solche Dinge unmöglich sind?

Eine Menge Fragen.  Ich möchte mich dem Thema von einer wissenschaftlichen Warte aus nähern.   Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob Wunder überhaupt ein wissenschaftlich betrachtbarer Gegenstand sind.  Um von einem solchen sprechen zu können, müssen grundlegende Bedingungen erfüllt sein.  So muß es sich zum Beispiel um ein Geschehen handeln, das unter kontrollierten Bedingungen beobachtbar ist.  Schon das ist bei einem Wunder nicht erfüllt.  Es handelt sich um ein Geschehen, das zu einem definierten Zeitpunkt in der Geschichte stattgefunden hat, an einem bestimmten Ort.  Will man tatsächlich damit rechnen, daß es dabei um ein Handeln Gottes geht, muß man die Möglichkeit einkalkulieren, daß Gott zwar einem Menschen helfen wollte, aber sich nicht zum Versuchskaninchen menschlicher Neugier machen läßt.

Das Handeln Gottes ist der nächste Punkt:  Für eine wissenschaftliche Theorie muß der Erklärungsansatz, den man anbietet, wissenschaftlich untersuchbar sein.   Das ist Gott nicht, deshalb hat er in wissenschaftlichen Theorien nach dem derzeit allgemein gültigen Wissenschaftsverständnis auch "nichts zu suchen".   Das bedeutet aber nicht, daß Gottes Handeln dadurch in irgendeiner Form unwahrscheinlicher geworden ist.  Es gehört damit lediglich zu den Dingen, zu denen man auf wissenschaftlichem Weg keinen Zugang findet.  Unwahrscheinlich wird es erst durch die weltanschauliche Einstellung, daß es sich nur lohnt oder man nur den Dingen besondere Beachtung schenken darf, die sich wissenschaftlich überprüfen lassen.   D.h. es ist keine Frage von Vernunft oder Unvernunft, sondern von der zugrundeliegenden Weltanschauung.

Betrachtet man das vorliegende Material - Berichte von einem zurückliegenden Geschehen - dann wäre hier die Vorgehensweise eines Ermittlers oder Detektivs angebracht:  Die Indizien zu prüfen und davon ausgehend zu dem Ergebnis zu kommen, daß man ein Wunder für plausibel, möglich oder für eher unwahrscheinlich hält.

Muß ein Christ viele gute Taten tun, um in den Himmel zu kommen?

Das ist ein häufig vorkommendes Mißverständnis.  Nach christlichem Verständnis verfehlen alle Menschen das, was Gott ihnen zugedacht hat.  Jeder Mensch hat ein Schuldproblem - er wird vor Gott, vor seinen Mitmenschen schuldig.   Das läßt sich auch durch gute Taten nicht wieder aufwiegen, sondern es muß gelöst werden.  Gott bietet in Jesus Christus die Lösung an.  Jesus nimmt unsere Schuld auf sich, d.h. er trägt unsere Schuld und unsere Strafe, damit wir leer ausgehen.  Gott bietet jedem Menschen die Chance, einen Schlußstrich unter das zu ziehen, was danebengeht ist, und mit ihm neu anzufangen.  Alles, was dazu nötig ist:  Sich in die einladend geöffneten Arme Gottes fallen zu lassen und zu ihm zu kommen.  Dazuverdienen können wir uns nichts - das heißt aber auch nicht, daß es für Christen nicht ein wichtiges Ziel ihres Lebens sein sollte, ihren Mitmenschen Gutes zu tun.

Muß man als Christ wirklich jeden Sonntag in die Kirche rennen?

Nein, man muß nicht.  Es ist nirgends davon die Rede, daß es für regelmäßigen Kirchenbesuch besondere Fleißpunkte gibt.  Und Jesus hat auch nicht gelehrt, daß regelmäßiger Kirchenbesuch die oberste Christenpflicht ist.

Der Gottesdienst ist für Christen die Möglichkeit, miteinander Gott zu loben, ihm gemeinsam Anliegen vorzutragen,  etwas dazuzulernen, was sie im Glauben weiterbringt, nicht zuletzt auch einfach zusammenzukommen und sich miteinander zu unterhalten.  Wobei man sicherlich dazusagen muß, daß all dies im Gottesdienst möglich sein sollte und man teilweise schon nach Gottesdiensten suchen muß, wo das so wiederfiindet.  Ist dies aber der Fall, soll es durchaus vorkommen, daß Christen gerne am Sonntag zum Gottesdienst gehen und sich sogar darauf freuen.

Kann man nicht auch für sich allein Christ sein?

Schließlich kann man die Andacht auch im Wald suchen, oder?

Es scheint mir nichts dagegen einzuwenden, sich an der Natur zu freuen und Gott dafür zu danken, daß er sie so schön gemacht hat.  Aber Christsein ist eigentlich doch eher auf Gemeinschaft ausgelegt.  Gemeinsam zu leben, gemeinsam zu beten, sich gemeinsam zu helfen.  Paulus vergleicht die Gemeinde in seinen Briefen mit einem menschlichen Körper:  Ein Organismus, wo jeder der Teile seine eigene Aufgabe hat.  Dem ganzen Körper fehlt etwas, wenn einzelne Körperteile fehlen oder krank sind.  Und ein einzelner Körperteil für sich allein genommen kann auch nicht richtig gedeihen.

Außerdem hat Jesus große Zusagen gegeben, wenn Menschen in seinem Namen zusammenkommen und zusammen Anliegen vor ihnen bringen.  An diesen Zusagen geht jemand, der sein Christsein allein leben will, vorbei.

Bedeutet Christsein, sich an alle möglichen Regeln zu halten?

In manchen Gemeinden mag es einem so vorkommen.  Da ist genau beschrieben, was ein Christ darf oder nicht, in geschriebenen oder ungeschriebenen Regelbüchern.  Zum Beispiel darf man dort als Christ keine "Rockmusik" hören, weil sie "des Teufels" sei oder ähnliche Dinge.

Jesus hingegen war für die superfrommen Leute seiner Zeit ziemlich unkonventionell.  Er hat sich mit den Menschen abgegeben, die sie eher mieden.  Er hat sich nicht an ihre Verhaltensetikette gehalten und sich nicht gescheut, auch mal Anstoß zu erregen.  Ich denke, Christen sind dort richtig, wo sie bei Christus sind, wo sie sich also bemühen, von ihm zu lernen.  Das kann durchaus auch mal bedeuten, scheinbar festgefügte Gemeinderegeln zu erschüttern.

Christsein bedeutet eigentlich, Jesus nachzufolgen:  Sich so zu verhalten, wie er es getan hätte, mit ihm in Kontakt zu bleiben.  Dort ist für Christen der richtige Platz.  Dort ist auch Leben, das ein starres Regelwerk nie vermitteln könnte.  "Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig."

Was versteht man eigentlich unter "beten"?

Beten heißt eigentlich, ganz kurz gesagt, mit Gott zu reden.   Auf die Form kommt es dabei gar nicht an.   Man kann mit geschlossenen oder mit offenen Augen beten, mit gefalteten Händen ebenso wie bei der Arbeit, im Sitzen oder im Stehen, in Gedanken oder laut ausgesprochen.  Wichtig ist dabei die Einstellung des Beters.  Es heißt, daß Gott unser "Herz", also unsere inneren Haltungen und Gefühle, wichtig ist.

Was kann man Gott sagen?  Es gibt viele Ausdrucksmöglichkeiten für Gebete.  Man kann Gott daran Anteil geben, was man auf dem Herzen hat, ihm ein Dankeschön für etwas sagen, was man erlebt hat.  Man kann für andere Menschen beten, sie mit ihrer Not vor Gott bringen und ihn um Hilfe bitten.  Man kann Gott ausdrücken, was er einem bedeutet.  Man kann auch einfach vor Gott schweigen.

Wie kann man Gott etwas sagen?  Dafür gibt es keine vorgeschriebene Form.  Man kann mit Gott ohne weiteres so reden, wie einem "der Schnabel gewachsen ist".  Manchen Menschen, die noch nicht so häufig gebetet haben, fällt es leichter, einfach die Worte eines vorformulierten Gebetes zu ihren eigenen zu machen.  Oder es fällt einem in einer Situation, wo die eigenen Worte ausgegangen sind, leichter, einen Psalm mitzubeten.

Christsein ist etwas für Schwächlinge, oder?

Ich würde eher sagen, im Gegenteil.  Christsein ist keine Fahrkarte in ein gemütliches Leben, wenn man es ernst nimmt.  Christsein hat seinen Preis.  Zum Beispiel den, ausgelacht zu werden, wenn man zu seinen Überzeugungen steht. Und vielleicht sogar allein damit ist. Sich nicht an ungeraden Dingen zu beteiligen, auch nicht dann, "wenn es alle machen".  Keine Unversöhnlichkeiten stehen zu lassen, sondern "den ersten Schritt" zu tun - was nicht immer angenehm ist.

All das erfordert Stärke.  Glücklicherweise müssen Christen nicht aus sich allein heraus so stark sein, sondern sie können mit Gottes Hilfe rechnen.  Und sie dürfen auch Fehler machen, scheitern - und daraus lernen.

Was ist eigentlich diese "Stille Zeit", von der Christen manchmal reden?

Nun, auch Christen müssen mal einige Minuten am Tag den Mund halten. :-)

Aber im Ernst:  Viele Christen empfinden es als hilfreich, wenn sie sich wenigstens einige Minuten am Tag mal in die Stille zurückziehen können, einen Text aus der Bibel lesen, mit Gott über die Dinge reden, die ihnen auf dem Herzen liegen, ihm für das danke sagen, was sie Gutes erlebt haben.  Oder für andere Menschen zu beten.

Für manche Christen ist das aber auch ein Krampf, wenn sie meinen, ihre Stille Zeit unbedingt morgens in der Frühe machen zu müssen und es eine ständige Auseinandersetzung ist, ob sie nun schon wieder über "Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf" nachdenken sollen. :-)   Das gehört auch schon wieder zu diesen Regeln, die Christen sich überflüssigerweise machen.  Gott will bestimmt nicht, daß jemand auf die Uhr guckt und nach Terminkalender betet ("Oh, zehn Minuten noch!"), sondern daß seine von ihm geliebten Menschen gerne zu ihrem Vater im Himmel kommen, weil er ein offenes Ohr für sie hat.

Was ist eigentlich eine "Freikirche"?

Am bekanntesten sie die beiden großen Kirchen, die evangelische Landeskirche und die katholische Kirche.  Daneben existieren aber noch eine ganze Reihe kleinerer Kirchen, oft entstanden in geistlichen Aufbrüchen der letzten Jahrhunderte.  Unterschiede zur den großen Kirchen gibt es zum Beispiel in Bezug auf die Taufe.  In der Regel werden dort keine Säuglinge getauft, sondern Menschen, die sagen, daß sie persönlich glauben .  Deshalb gibt es auch keine Mitgliedschaft, die schon seit Kindheit besteht, sondern man schließt sich einer solchen Gemeinde bewußt an.  Die Finanzierung trägt sich nicht aus der Kirchensteuer, sondern aus Beiträgen, die die Gemeindeglieder freiwillig geben.  Nicht selten mehr, als ihnen von der Kirchensteuer abverlangt würde.

Was sind "Charismatiker"?

Wenn man im Neuen Testament liest, begegnet man da besonderen Begabungen, die die ersten Christen hatten:  Einige konnten in Sprachen reden, die sie selbst nie gelernt hatten, andere hatten eine prophetische Begabung.  Andere konnten Kranke heilen.  Es handelt sich dabei um Begabungen, die Gott einzelnen Menschen schenken kann, sogenannte "Gnadengaben".  Es gibt nicht nur diese sehr spektakulären, sondern eine ganze  Reihe weiterer Gaben.

Charismatiker sind Leute, die sagen, daß es eigentlich keinen Grund dafür gibt, warum Gott solche Begabungen nicht auch noch heute schenken kann.  In charismatischen Gemeinden werden diese Dinge auch im Gottesdienst ausgeübt.  Meistens nimmt es darin ebenfalls ausgedehnten Raum ein,  Gott mit Liedern zu loben.  Die Bewegung der "Charismatiker" hat sich in diesem Jahrhundert entwickelt und in verschiedenen Kirchen Eingang gefunden.  Auch in der evangelischen Landeskirche gibt es zum Beispiel mit der "Geistlichen Gemeinde-Erneuerung" charismatische Kreise.  Nicht selten kommt es im charismatischen Umfeld zur Neugründung von Gemeinden, die erst mal für sich stehen.

Nichtcharismatischen Christen sind "die Charismatiker" manchmal etwas suspekt.  Besonders umstritten ist der sogenannte "Toronto-Segen".  Ausgehend von einer Gemeinde in Toronto hat sich eine Bewegung gebildet, wo Gott zum Beispiel dadurch
an Menschen handeln soll, daß sie im Gottesdienst richtiggehend "umfallen", ruhig liegenbleiben und in dieser Zeit besondere Erfahrungen mit Gott machen.  Oder daß sie ausgedehnte Lachanfälle haben.  Während dies von Befürwortern als neue Welle des Wirkens Gottes angesehen wird, sprechen Skeptiker eher von massenpsychologischen Phänomenen.

Was hat es mit diesen Fischen auf sich?

Im Umfeld von Christen taucht das Fischsymbol sehr häufig auf, zum Beispiel als Autoaufkleber.  Was bedeutet das eigentlich?  Essen Christen besonders gerne Fisch oder sind sie überdurchschnittlich häufig in Anglerclubs anzutreffen?

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Diese beiden Antworten muß ich leider schuldig bleiben, ich weiß nicht, ob Untersuchungen darüber existieren.  Weswegen Christen mit einem Fisch herumlaufen:  Es handelt sich dabei um ein christliches Symbol, das schon die ersten Christen verwendet haben.  Als sie Verfolgung durch das römische Reich fürchten mußten, faßten sie den Kern ihres Glaubens stichwortartig zusammen:


 
Jesus Christus,  Gottes Sohn, (unser) Retter
oder auf griechisch
Iesous Christos Theou Yios Soter
und zusammengefaßt
ICHTHYS
 

ICHTHYS ist das griechische Wort für "Fisch".   Wann immer die ersten Christen also jemanden trafen, der das Fischsymbol kannte, wußten sie, daß sie einen Mitchristen getroffen hatten.  Heute brauchen Christen in vielen - nicht allen! - Ländern keine direkte Verfolgung mehr zu fürchten.   Der Fisch dient damit auch weniger als geheimes Erkennungszeichen, sondern soll eine christliche Aussage darstellen, ein Bekenntnis dazu, daß jemand daran glaubt, daß Jesus der Christus, Gottes Sohn, und sein Retter ist.

Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht heben kann?

Diese Frage soll trickreich belegen, warum Gott nicht allmächtig sein kann:  Kann Gott den Stein nicht schaffen, ist er offensichtlich nicht allmächtig, kann Gott den Stein jedoch schaffen, kann er ihn anschließend nicht heben und ist daher auch nicht allmächtig.  Ein unauflösliches Dilemma, oder?

Schon, aber keines, das beweisen würde, daß Gott nicht allmächtig ist.  Geht man probehalber davon aus, daß Gott allmächtig ist, dann kann er offensichtlich Steine schaffen und heben.  Eine Obergrenze existiert nicht, sie stünde im Widerspruch zur Allmacht.  Die Antwort auf das "Steinproblem" ist also, daß ein allmächtiger Gott Steine ganz beliebiger Größe schaffen und heben kann.   Allein die Postulierung eines Steins, den Gott wegen seiner Größe nicht schaffen oder nicht heben kann,  ist mit der Allmacht Gottes nicht vereinbar.  D.h. den Widerspruch zur Allmacht, der hinten herauskommen soll, konstruiert man sich in den Voraussetzungen bereits hinein.

Wichtiger wäre vielleicht die Frage, ob Gott mächtig genug und daran interessiert ist, im eigenen Leben zu handeln und zu wirken...
 

Ist die Bibel widerspruchsfrei?

In diesem Punkt gibt es eine merkwürdige Allianz zwischen manchen Atheisten und manchen Christen.  Fest steht für beide: Wenn in der Bibel ein einziger Widerspruch nachweisbar ist, ist sie nichts wert.  Bei den Christen wird diese Auffassung durch das Verständnis geprägt, daß die Bibel wortwörtlich von Gott inspiriert ist und deshalb keine "Fehler" enthalten darf.  Bei den Atheisten geht sie mehr auf die Ansicht zurück, daß  ausschließlich Dinge die Beschäftigung mit ihnen wert sind, die in sich widerspruchsfrei sind.

Daß die Bibel widerspruchsfrei ist, läßt sich nur schwer belegen.  Leichter ist es, festzustellen, wenn sie nicht widerspruchsfrei ist. Dazu braucht man nämlich nur einen einzigen Widerspruch zu finden.  Einen solchen Widerspruch möchte ich kurz vorstellen.  Er ergibt sich, wenn man die Auferstehungsberichte der einzelnen Evangelien miteinander vergleicht:
 

Matthäus berichtet... 
(Mt 28, 1-4)
Markus berichtet... 
(Mk 16, 1-5)
Lukas berichtet... 
(Lk 24, 1-4)
Johannes berichtet... 
(Joh 20, 1-3)
Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.  Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn tat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.  Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand war weiß wie der Schnee.  Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, um Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.  Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.  Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?  Und sie sahen hin und wurden gewahr, daß der Stein weggewälzt war, denn er war sehr groß.  Und sie gingen hinein und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Aber am ersten Tag der Woche sehr früh kamen sie [die Frauen, vgl. Lk 23, 55-56]zum Grab und trugen bei sich die wohlriechenden Öle, die sie bereitet hatten.  Sie fanden aber den Stein weggewälzt vom Grab und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn Jesus nicht.  Und als sie darüber bekümmert waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Männer mit glänzenden Kleidern.  Sie aber erschraken und neigten ihr Angesicht zur Erde. Am ersten Tag der Woche kommt Maria von Magdala früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, daß der Stein vom Grab weg war.  Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen:  Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.   Da ging Petrus und der andere Jünger hinaus, und sie kamen zu dem Grab."
 

Offensichtlich ergeben sich bei dem Vergleich dieser vier Berichte gleich mehrere Ungereimtheiten.  Insbesondere haben die Frauen offenbar von dem großen Erdbeben, das bei Matthäus geschieht, bei den anderen Evangelien nichts gemerkt, und sie erleben es auch nicht hautnah mit, wie der Engel des Herrn hinzutritt und  den Stein wegwälzt.  Einmal handelt es sich um eine weißgekleidete oder glänzende Gestalt, ein anderes Mal handelt es sich um zwei, bei Johannes wird von überhaupt keiner solchen Begegnung berichtet.  Kommen die beiden Marias zum Grab, haben sie Salome bei sich, war es nur Maria von Magdala allein?

Wie geht man nun mit solchen Ungereimtheiten um?  Eine Möglichkeit ist der Versuch, sie miteinander zu harmonisieren.  Darunter versteht man den Ansatz, die Ungereimtheiten so zu betrachten, das nicht jeder Evangelist alle Aspekte beschrieben haben muß.  So wären dann die beiden Marias und Salome zum Grab gekommen, und Johannes und Matthäus hätten von Salome nichts berichtet.  Oder es sind zwei glänzende Gestalten dort gewesen, und Matthäus und Markus haben aus irgendeinem Grund nur von einer Gestalt berichtet.  Diese Betrachtungsweise macht sicherlich teilweise Sinn.  Wir haben es mit unterschiedlichen Berichten von ein und demselben Geschehen zu tun, und obwohl wir uns das Geschehen vor dem geistigen Auge ausmalen können, sind wir nicht dabei gewesen.  Es kann also durchaus Gründe geben, warum der eine Bericht so und der andere Bericht anders ausfällt. Nicht lösen kann man damit allerdings direkte, diametrale Widersprüche.  Als einen solchen würde ich zum Beispiel sehen, daß bei Matthäus die Frauen ein sehr eindrückliches Geschehen, ein Erdbeben, hautnah miterleben und ein Engel ihnen den Stein vom Grab wegwälzt, während sie in den anderen Evangelien den Stein bereits weggewälzt finden.  Bleibt also nur das Fazit, daß die Bibel nicht widerspruchsfrei ist.
 

Welche Bedeutung hat das für das Bibelverständnis?

Offenkundig ist die Bibel, die wir heute in Händen halten, nicht wortwörtlich so von Gott diktiert.  Liegt es deshalb aber nahe, sie gleich für wertlos zu erklären? Offenkundig berichten die vier Evangelisten im obigen Beispiel von demselben Geschehen.  Und auch wenn die Berichte nicht in jedem Detail übereinstimmen, die Grundaussage ist klar:  Die Frauen kommen zum Grab und finden es leer vor.  Der Leichnam Jesu ist nicht mehr darin zu finden, Jesus ist auferstanden.  Es hat keine große geistliche Bedeutung, ob nun eine oder zwei glänzende Gestalten dort gestanden haben.  Es liegt nicht nahe, die Berichte aufgrund dieser Unterschiede grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.  Im Gegenteil sind solche kleineren Unterschiede sogar zu erwarten, wenn mehrere Personen von demselben Geschehen berichten.  Stimmten sie ins Detail überein, käme natürlich postwendend der Vorwurf, sie hätten voneinander abgeschrieben.

Ein Lösungsversuch, der manchmal eingeschlagen wird, geht in die Richtung, daß die Handschriften in ihrem Original wortwörtlich von Gott diktiert und fehlerfrei sind.  Heutige Übersetzungen hingegen müssen es nicht unbedingt sein.  Das scheint auf den ersten Blick eine elegante Lösung zu sein, für diejenigen, die bei diesem Verständnis bleiben wollen.  Bei genauem Hinsehen eröffnet es aber auch eine Reihe von weiteren Problemen:  Wenn die heutigen Bibelübersetzungen nicht widerspruchsfrei sind, warum denn nicht?  Sind sie auf dem Überlieferungsweg verändert worden?  Ist es trotz aller Mühe nicht möglich, den Bibeltext so zu übersetzen, daß man den Inhalt zweifelsfrei erkennen kann?   D.h. man kann sich auch mit diesem Winkelzug nicht in die geschützte Welt des Buchstabenglaubens zurückziehen, in der man wörtlich nehmen darf, ohne darüber nachzudenken.

Paulus schreibt, der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.  Er, der heilige Geist, ist Christen als Beistand und als Tröster verheißen.  Die ersten Christen hatten keine vier Evangelien in Auswahl.  Sie hatten auch keine Palette von Paulusbriefen, aus denen sie jeden Sonntag einige Verse betrachten konnten.  Sie hatten das Alte Testament, sie hatten die Überlieferung der Apostel und vielleicht einige, wenige Schriften, wenn es diese überhaupt schon gab.  Und trotzdem haben sie ihren Glauben gelebt...    Womit ich die Bibel keineswegs für unwichtig oder belanglos oder uninspiriert erklären möchte.  Aber es gibt manchmal auch ein Klammern an den Buchstaben, daß man es genau so machen muß, wie es dort steht - und nicht danach fragt, was damals mit diesem "genau so" gemeint war und wie man heute diesen Wunsch oder dieses Ziel umsetzen kann.

Welche Bedeutung haben die Schriftfunde von Qumran für das Christentum?

Mit dem Buch "Verschlußsache Jesus" der Autoren Baigent/Leigh ist eine Diskussion neu angestoßen worden, die bereits einige Jahrzehnte alt ist und zu ihrer Zeit hohe Wellen geschlagen hat.  1947 entdeckt ein Junge in einigen Höhlen an der Westküste des Toten Meeres eine unglaubliche Sensation: Die Bibliothek einer Gemeinschaft aus antiker Zeit.  Schriftrollen, Fragmente von unermeßlichem Wert.  Wesentlich älter als die bisher vorliegenden Handschriften.  Wer hatte sie erstellt? Die Essener, die dort lebten, waren eine Bruderschaft, die ein "heiliges Leben" anstrebte, auf Privatbesitz verzichtete, in klösterlicher Gemeinschaft lebte, die Liebe zu Gott und den Menschen an die erste Stelle setzte, ein Leben in Tugend, Gerechtigkeit und Frömmigkeit führen wollte.

Aufgrund einiger Ähnlichkeiten zu Aussagen von Jesus schlugen die Wellen hoch:  "Ist das Christentum widerlegt?"  "War Jesus ein Essener?"  "Haben die Schriftrollen vom Toten Meer das Christentum seiner Grundlage beraubt?" Was im Abstand von einigen Jahrzehnten von dieser Diskussion geblieben ist, ist die Feststellung von einigen Ähnlichkeiten zu den frühchristlichen Gemeinden, andererseits aber auch wieder von grundlegenden Verschiedenheiten.  Der Kern des christlichen Glaubens und Bekenntnisses, die Lehre von der Auferstehung und von der Erlösung in Jesus, war den Essenern völlig fremd.

Was außerdem geblieben ist, ist die außerordentlich interessante Möglichkeit, die Überlieferungsqualität des Alten Testaments zu überprüfen.  Denn die Schriftrollen alttestamentlicher Texte, die dort gefunden wurden,  war bedeutend älter als alles, was bis dahin zur Verfügung stand.  Als Ergebnis kann festgehalten, daß die Überlieferungsqualität zwar keine Perfektion erreicht, aber doch - auch über einen Zeitraum von Jahrhunderten - ausgesprochen gut ist.  So hat Qumran das Vertrauen in die Überlieferung dieser Texte fundiert und gestärkt.

Das Buch von Baigent/Leigh hingegen greift eine Außenseiterthese auf, die die (vorchristlichen) Schriften aus Qumran - entgegen des Urteils der gesamten Fachwelt - in die christliche Zeit verlegen will und die dort vorkommenden Gestalten mit biblischen Personen identifiziert.  Der gesamte erste Teil des Buches, der den Vorwurf erhebt, die Schriftfunde von Qumran würden zurückgehalten, ist überholt, da sie mittlerweile veröffentlicht wurden und sogar schon in deutscher Übersetzung als UTB-Taschenbuch erhältlich sind.


 

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