Außerbiblische Belege für die Existenz Jesu |
"Jesus? Der findet sich doch
nur in der Bibel!
Ansonsten gibt es niemanden, der ihn erwähnt..."
Mit dem Hinweis auf fehlende außerbiblische Quellen soll offensichtlich die Glaubwürdigkeit der biblischen Texte in Frage gestellt werden.
Demgegenüber ist zweierlei zu sagen:
Einerseits gibt es außerbiblische Quellen, die Jesus erwähnen - einige von ihnen beschreibt dieser Artikel - zum anderen muß man sich die historische Situation vergegenwärtigen und sich fragen, welche außerbiblischen Aussagen man überhaupt erwarten kann.
Daß Gerüchte über einen Prediger irgendeiner Religion irgendeines Völkleins am Rande des römischen Imperiums so viel Aufmerksamkeit finden, daß sie bei zeitgenössischen römischen Historikern Erwähnung finden, ist zum Beispiel meines Erachtens eher unwahrscheinlich. (Zu einem späteren Zeitpunkt, als sich die Nachricht von der Auferstehung dieses Jesus durch seine Anhänger wie ein Lauffeuer in der antiken Welt ausbreitete und als die Christen zu einem Faktor innerhalb der römischen Welt wurden, hatte sich diese Situation grundlegend gewandelt).
Eine andere Anfrage ist an die Überlieferungssituation zu stellen: Es gilt zu berücksichtigen, daß uns die biblischen Texte nur deshalb zur Verfügung stehen, weil sie immer wieder abgeschrieben wurden. Kein einziges Original liegt uns vor. Schon die Auffindung einer alten Abschrift ist ein Glücksfall, die Auffindung des Originals eines biblischen Textes biblischen Textes wäre nicht weniger als ein Wunder. Ebenso unwahrscheinlich ist die Auffindung des Originals einer zeitgenössischen Erwähnung Jesu. Und da diese nicht so penibel und eifrig überliefert worden sein dürften, ist die Chance, einen solchen Text zu finden, verschwindend gering.
Zum dritten klammert man alle diejenigen aus, die sich von Jesus überzeugen ließen und von seinem Leben berichteten, weil sie ihn für den Christus, den versprochenen Messias hielten.
Es entsteht das Bild, daß man solange an der Art des geforderten Beweises herumfeilt, bis es nahezu ausgeschlossen ist, einen solchen Beweis aufzutreiben.
Aber nun zu den Erwähnungen, die uns vorliegen.
In seinem Bericht über die Regierung Neros schreibt er:
"Doch nicht durch menschliche Hilfe, nicht durch des Fürsten
Spendungen oder durch Sühnungen der Götter ließ sich
der Schimpf bannen, daß man glaubte, es sei die Feuersbrunst
geboten worden. Annalen XV.44
Um daher dieses Gerede zu vernichten, gab Nero denen, welche wegen
ihrer Schandtaten verhaßt das Volk Christianer nannte, die Schuld
und belegte sie mit den ausgesuchtesten Strafen. Derjenige, von
welchem dieser Name ausgegangen, Christus, war unter des Tiberius
Führung vom Procurator Pontius Pilatus hingerichtet worden; und der
für den Augenblick unterdrückte verderbliche Aberglaube brach wieder aus,
nicht nur in Judäa, dem Vaterland dieses Unwesens, sondern auch in
der Hauptstadt, wo von allen Seiten alle nur denkbaren Greuel und
Abscheulichkeiten zusammenströmen und Anhang finden."
Er bezeichnet Jesus Christus als "den in Palästina gekreuzigten Menschen", der "diese neuen Mysterien in die Welt einführte", und schreibt weiterhin: "Ferner beredete er sie ihr erster Gesetzgeber, dass sie alle untereinander Brüder wären, wenn sie einmal die hellenischen Götter abgeschworen hätten, jenen ihren gekreuzigten Sophisten anbeteten und nach seinen Gesetzen lebten [...]" Lucian Bd. 2/9
Einer der bekanntesten außerchristlichen Erwähnungen überhaupt ist das sogenannte "Testimonium Flavianum". Leider - und das hat sich mittlerweile als Konsens etabliert - ist der Text zumindest in dieser Form nicht von Flavius Josephus geschrieben worden. Daher kann man ihn nicht als Beleg werten. Der Vollständigkeit halber sei er dennoch wiedergegeben:
"Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mensch, wenn man ihn überhaupt
einen Menschen nennen darf. Er war nämlich der Vollbringer
ganz unglaublicher Taten und der Lehrer aller Menschen, die mit
Freuden die Wahrheit aufnahmen. So zog er viele Juden und auch
viele Heiden an sich. Er war der Christus. Und obgleich ihn
Pilatus auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreuzestod
verurteilte, wurden doch seine früheren Anhaenger ihm nicht untreu.
Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend, wie
gottgesagte Propheten dies und tausend andere wunderbare Dinge von
ihm vorher verkündigt hatten. Und noch bis auf den heutigen Tag
besteht das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, fort."
(Jüdische Altertümer XVIII.3.3)
Es ist offensichtlich, daß man ein so begeistertes Bekenntnis zu Jesus von einem jüdischen Historiker, der Jude geblieben ist, nicht erwarten darf. Der Text macht Josephus zu einem Christen, denn er bekennt Jesus als den Christus, also als Messias.
Einigen Theorien zufolge hat an dieser Stelle ursprünglich doch etwas ueber Jesus gestanden, doch wurde der Text nachträglich "verbessert" (=verfälscht). Interessanterweise gibt es dieselbe Stelle noch einmal in einem arabischen Manuskript, dort liest sie sich folgendermaßen:
"Zu dieser Zeit gab es einen weisen Menschen namens Jesus. Und sein Wandel war gut, und [er] war als tugendhaft bekannt. Und viele Leute aus den Juden und aus den anderen Völkern wurden seine Jünger. Pilatus verurteilte ihn zur Kreuzigung und zum Tode. Und alle, die seine Jünger geworden waren, blieben in der Jüngerschaft. Sie berichteten, daß er ihnen drei Tage nach der Kreuzigung erschienen sei und daß er lebendig sei; demnach war er vielleicht der Messias, über den die Propheten Wunder erzählt haben."Diesen Text könnte man sich schon eher aus der Feder von Josephus vorstellen. Aber lassen wir die Frage nach dem Wortlaut des "Testimonium Flavianum" so, wie sie in der wissenschaftlichen Diskussion ist: ungeklärt.
Weit unbekannter und meines Wissens nicht in dem Verdacht nachträglicher Verfäschung stehend, erwähnt Josephus den Bruder von Jesus, Jakobus, und auch Jesus selbst (Altertümer XX, 9.1):
"Der jüngere Ananus jedoch, dessen Ernennung zum Hohepriester ich
soeben erwähnt habe, war von heftiger und verwegener Gemütsart und
gehörte zur Sekte der Sadduzäer, die, wie schon früher bemerkt, im
Gerichte härter und liebloser sind als alle anderen Juden. Zur
Befriedigung dieser seiner Hartherzigkeit glaubte Ananus auch jetzt,
da Festus gestorben, Albinus aber noch nicht angekommen war, eine
günstige Gelegenheit gefunden zu haben. Er versammelte daher den
Hohen Rat zum Gericht und stellte vor dasselbe den Bruder des Jesus,
der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, sowie noch einige
andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung
führen ließ."
"Da die Juden unter ihrem Anführer Chrestos [=Christus] beständig
Unruhe anstifteten, vertrieb er [Claudius] sie aus Rom."
[Sueton, Leben der Cäsaren, Claudius Par.25] Suetonius/296
"...über die Christen, Menschen, die sich einem neuen und
gefährlichen Aberglauben ergeben hatten, wurde die Todesstrafe verhängt."
[Nero, Par 16] Suetonius/326
"Sie behaupteten aber, ihre ganze Schuld - oder ihr ganzer Irrtum -
habe darin bestanden, daß sie sich an einem bestimmten Tage vor
Sonnenaufgang zu versammeln pflegten, Christus zu ehren, wie einem
Gotte, im Wechselgesang ein Lied anzustimmen, und sich eidlich
nicht etwa zu einem Verbrechen verpflichteten, sondern keinen
Diebstahl, keinen Raub, keinen Ehebruch zu begehen, kein gegebenes
Wort zu brechen, kein anvertrautes Gut, wenn es zurückgefordert
wird, abzuleugnen." (Briefe X.96) Plinius Secundus/423
Erhalten sind jedoch einzelne Zitate seiner Schriften bei anderen Autoren. Julius Africanus gibt ihn wie folgt wieder: "Thallus erklärt im dritten Buch seiner Geschichte diese Finsternis als eine Sonnenfinsternis; damit kann er aber nach meiner Meinung nicht überzeugen." (Natürlich kann das nicht überzeugen, denn bei Vollmond gibt es keine Sonnenfinsternisse.)
F.F.Bruce folgert, dass der Passionsbericht schon in der Mitte des 1. Jahrhunderts auch Nichtchristen in Rom bekannt war und man sich bemühte, eine "natürliche" Erklärung für das Phänomen zu finden. Die Begruendung "Vollmond" bezieht sich darauf, daß Christus zur Zeit des Passa-Vollmondes starb.
Ein Syrer namens Mara Bar-Serapion schreibt an seinen Sohn Serapion. Er ermutigt ihn dazu, die Weisheit zu suchen, und gibt drei Beispiele dafür an, daß von Unglück heimgesucht wird, wer einen Weisen tötet. Dabei stellt er die Tode von Sokrates, Pythagoras und Christus in eine Reihe:
"Was profitierten die Athener davon, daß sie Sokrates töteten ?
Hungersnot und Pest traf sie als Strafe für ihr Verbrechen.
Was profitierten die Einwohner von Samus davon, dass sie Pythagoras
verbrannten ? Kurze Zeit später war ihr Land unter
einer Sandschicht begraben.
Was profitierten die Juden davon, daß sie ihren weisen König
hinrichteten ? Kurz danach wurde ihr Königreich total
zugrundegerichtet.
Gott hat diese drei Weisen in gerechter Weise gerächt: Die
Athener verhungerten, Samos wurde vom Meer überschwemmt, und
die Juden, ruiniert und aus ihrem Land vertrieben, leben jetzt
in absoluter Zerstreuung. Aber Sokrates ist nicht tot. Er
lebt weiter in der Lehre Platos. Pythagoras ist nicht tot.
Er lebt weiter in der Statue der Hera. Und auch der weise
König ist nicht tot. Er lebt in der Lehre fort, die er
brachte."
Für das "Ben Pandera" (Sohn des Pandera) gibt es mehrere Erklärungsansätze: Zum einen eine Verzerrung des gr. "parthenon" (Jungfrau), andererseits gab es unter den Juden die Meinung, ein "Panteri" oder "Pandera" sei der leibliche Vater von Jesus gewesen, und Jesus damit ein außereheliches Kind. Die folgenden Textstellen sind inhaltlich natürlich vor dem Hintergrund zu betrachten, daß sie nicht aus einer neutralen Perspektive stammen.
"Am Vorabend des Pesachfestes haben sie Jesus gehängt. Der Herold aber ging vierzig Tage vor ihm her: Dieser geht hinaus, um gesteinigt zu werden, weil er Zauberei getrieben und Israel verlockt und abgesprengt hat. Jeder, der etwas zu seinen Gunsten weiß, komme und plädiere für ihn. Aber sie fanden nichts zu seinen Gunsten und hängten ihn am Vorabend des Pesahfestes." (Babylonischer Talmud, Sanhedrin 43) Ein späterer Kommentar (3. Jh.) hierzu:
"Meinst du denn, er sei einer gewesen, zu dessen Gunsten sich etwas haette wenden koennen ? Er war doch ein Verlocker, und der Allbarmherzige sprach: Du sollst ihn nicht schonen und ihn nicht bedecken. Aber mit Jesus verhielt es sich anders, weil er der Regierung nahestand." (Talmud/207; Babylon. Talmud Band 8/631 Nach dem jüdischen Gelehrten Klausner spricht der Talmud von Hängen und nicht von Kreuzigen, "weil jene abstoßende römische Todesart den jüdischen Gelehrten nicht aus ihrem eigenen Rechtssystem, sondern nur von der römischen Gerichtsbarkeit her bekannt war. Selbst Paulus erklärt die Stelle: » Denn Verwünschung Gottes ist ein Gehenkter « [5 Mo 21,23] als auf Jesus bezüglich [Gal 3,13]."
Eine weitere namentliche Erwähnung, zitiert bei Klausner (alle Klammern gehören zu diesem Zitat):
"Akiba, du hast mich erinnert. Einmal ging ich durch den
oberen Markt (in der Tosefta: Straße) von Sepphoris und
traf da einen Mann [von den Jüngern des Jesus des Nazareners],
und Jakob aus dem Dorfe Sechania (in der Tosefta:
Sichnin) war sein Name. Der sprach zu mir: In eurer
Thora ist geschrieben: Bringe nicht Dirnenlohn...in
deines Gottes Haus. Was soll damit geschehen - soll man
daraus eine Latrine fuer den Hohenpriester machen ? Ich
aber sagte nichts. Da sprach er zu mir: So lehrte mich
Jesus der Nazarener (in der Tosefta: »Jesus ben Panteri«):
Aus Dirnenlohn ward es aufgehäuft und zu Dirnenlohn soll
es wieder werden. Vom Ort des Schmutzes sind sie gekommen
und zum Ort des Schmutzes sollen sie zurückkehren." -
Dies hat mir gefallen, und deshalb ward ich wegen Ketzerei
ergriffen. Übertreten habe ich, was in der Thora
geschrieben ist: »Dein Weg führe fern von ihr« -
gemeint ist: die Ketzerei; » und nähere dich nicht der Tür ihres
Hauses « - gemeint ist: die Obrigkeit." (aus Klausner, Joseph:
Jesus von Nazareth. Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre
(Jerusalem: The Jewish Publishing House 3. Aufl. 1952))