Streitfall Geistesgaben |
Was sind überhaupt Geistesgaben?
Darin sind mehrere, wichtige Aussagen enthalten:
Diese Argumentation erscheint aufgrund des Bibelabschnitts nicht stichhaltig. Klar wird darauf hingewiesen, wann diese Gaben aufhören werden: Nämlich dann, wenn "das Vollkommene kommt", wenn wir nicht länger stückweise erkennen, sondern wenn wir von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Das deutet recht eindeutig auf Gottes Neue Welt hin, auf die Zeit, wenn wir bei Ihm sein werden.
Einwände: Manche Ausleger wollen "das Vollkommene" gerne auf die Bibel gedeutet wissen.
Diese Auslegung geht aus meiner Sicht am Text vorbei. Auch heute,
wo wir doch die Bibel besitzen, können wir keineswegs behaupten, "von
Angesicht zu Angesicht" zu erkennen. Unser Wissen, unser Erkennen,
auch unser Auslegen der Bibel bleibt Stückwerk. Zudem - welchen
Zeitpunkt will man da für die Fertigstellung der Bibel annehmen?
Als alle biblischen Schriften geschrieben waren? Als sie sämtlich
als Bestandteil der Bibel anerkannt waren?
Die Frage ist, welches Gottesbild steckt da eigentlich dahinter? Jesus lehrt, daß schon wir unseren Kindern keine Schlange oder einen Skorpion in die Hand drücken würden, wenn sie uns um einen Fisch oder ein Ei bitten. Wieviel mehr wird Gott seinen Kindern gute Gaben geben, wieviel mehr wird er ihnen den Heiligen Geist geben, wenn sie ihn darum bitten (Lukas 11,11-13). So ist es nicht vorstellbar, daß Gott - wenn man ihn darum bittet - einen anderen Geist schenkt als den Heiligen Geist.
Sicherlich wird man auch fragen können, was für Früchte daraus entstehen: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Führt die Erfahrung mit dem Heiligen Geist zu mehr Hingabe an Gott? Kommt ein Mehr an geistlicher Vollmacht hinzu? Arbeitet ein Mensch hingegebener am Bau des Gottesreiches mit?
Weiterhin kann man auch anhand der Bibel prüfen, ob die sich heute
zeigenden Phänomene auch schon in der Bibel berichtet wurden.
Die Korinther zum Beispiel redeten in ihren Gottesdiensten wild in Zungen
durcheinander (1. Korinther 14). Dennoch mahnt Paulus sie nicht,
daß es sich um einen "Geist von unten" handelt, sondern er mahnt
sie, diese Gabe richtig einzusetzen.
Verdrängung des Kreuzes
Sicherlich ist Lobpreis etwas, was in der Gemeinde früher oft
zu kurz gekommen ist. Sich gemeinsam vor Gott zu stellen, ihm auszudrücken,
was er einem bedeutet - eine wunderbare Sache. Nur darf es sich darauf
nicht beschränken. Ich habe den Eindruck, in manchen charismatischen
Gemeinden wähnt man sich schon halb im Himmel. Der Lobpreis
führt nicht zur Ausrüstung, führt nicht zum Dienst, sondern
zu guten Gefühlen. Man schwelgt in der Nähe Gottes.
Dabei kommt kaum noch vor, daß wir nicht etwa aufgrund unseres
tollen Lobpreises vor Gott annehmbar sind, sondern einzig und allein
deshalb, weil Jesus für uns am Kreuz gestorben ist.
Gabenprojektion
In der obigen Gabendefinition von Christian A. Schwarz klang an, daß
nicht jeder Christ jede Gabe hat, und das definiert er im Einklang mit
der Bibel. Es ist eine falsche Lehre, daß jeder Christ in Zungen
reden muß. In Gemeinden, wo das nicht erkannt wird, besteht
einerseits die Gefahr, daß Christen Gaben hinterherlaufen und ihnen
nacheifern, weil sie der irrigen Überzeugung sind, diese zu einem
vollständigen Christsein haben zu müssen. Dabei ist das
vergebliche Mühe. Andererseits habe ich den Verdacht, daß
dort, wo eine Geistesgabe sich nicht einstellen will, menschliches Bemühen
an ihre Stelle treten könnte. Ist wirklich jedes Reden in einer
"anderen Sprache" die Gabe des Zungenredens? Oder könnte es
auch eigene Anstrengung sein, etwas nachzumachen?
Propheten unter uns
Das Charisma der Prophetie ist biblisch und wird uns in der Apostelgeschichte
überliefert. Der Prophet Agabus bekommt zweimal eine göttliche
Offenbarung, einmal über eine bald stattfindende Hungersnot und ein
andermal über die bevorstehende Gefangenschaft des Apostels Paulus.
Man kann also nicht bestreiten, daß es diese Gabe, biblisch betrachtet,
gibt. Andererseits birgt sie wie keine andere Gabe große Chancen
und Gefahren. Es ist ein motivierender Gedanke, daß die Gemeinde
sozusagen "einen heißen Draht" zu Gott hat, der ihr seinen Willen
für bestimmte Situationen offenbart. Andererseits birgt die
Gabe aber auch ein hohes Gefahrenpotential an unsachgemäßem
Umgang, an Mißbrauchsmöglichkeiten, an menschlich Gemachtem.
Die sorgfältige Prüfung, die uns Paulus in 1. Korinther 14 anempfiehlt,
wird hier unabdingbar sein.
Merkwürdige Phänomene
Vielgenannt in letzter Zeit: Der sogenannte "Toronto-Segen".
Ausgehend von der Vineyard-Gemeinde im Airport von Toronto hat sich eine
Bewegung ausgebreitet, die mit eigenartigen Erscheinungen einhergeht:
Da fangen Menschen im Gottesdienst an, sich vor Lachen schier auszuschütten,
fallen hinterrücks um oder fallen gar durch merkwürdige, tierstimmenartige
Laute um. Diese Phänomene haben für mich einen befremdlichen
Beiklang. Es handelt sich nicht um Dinge, die in der Bibel beschrieben
werden. Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit - jedenfalls im letzteren
Fall - das zur höheren Ehre Gottes beiträgt. Hier
ist für mich ein Punkt erreicht, wo ich zur Vorsicht mahnen würde.